Hilfe für die Armen und Kranken. Caroline Marschalck von Bachtenbrock, Therese von Plato, Amalie von Stoltzenberg (Priorin)

Ihre religiösen Überzeugungen bewegten viele Konventsmitglieder dazu, sich im sozialen Bereich zu engagieren. Schon 1622 hatte die Priorin Gertrud Anna von Bothmer in ihrem Testament 100 Reichstaler für die Versorgung der Armen vorgesehen. Im 19. Jahrhundert taten sich in dieser Richtung drei Konventualinnen als jeweilige Pionierinnen auf ihrem Gebiet besonders hervor.

Der durch die beginnende Industrialisierung große gesellschaftliche Wandel führte infolge des Bevölkerungszuwachses zu einem merklichen Anwachsen von Armut und sozialen Konflikten. Als Reaktion darauf kam es in kirchlichen Kreisen zu Bestrebungen, wenigstens die Auswirkungen dieser Misere zu lindern.

1842 rief die Äbtissin Louise Caroline Marschalck von Bachtenbrock (1790-1862) eine sogenannte Armenspinnschule ins Leben. Unterstützt wurde sie dabei von den beiden Walsroder Pastoren Eckels und Müller sowie dem Bürgermeister Barth. Schulpflichtige Mädchen aus unbemittelten Familien sollten im Winterhalbjahr unter Leitung der Äbtissin und Damen aus dem Bürgertum im Stricken, Spinnen und Nähen unterrichtet werden. Die Unkosten dafür wurden aus dem Verkauf der angefertigten Waren gedeckt, unterstützt durch Spenden und Stiftungsgelder. Der Unterricht fand im Volksschulgebäude am Kirchplatz statt. 1849 gestattete der Magistrat die Nutzung des großen Prüfungssaales im Oberschoss, um der wachsenden Nachfrage nach Plätzen gerecht werden zu können.

Die Armenschule verhalf unentgeltlich zu Kenntnissen, die den Schülerinnen eine spätere Ernährungsmöglichkeit boten. 1878 wurde sie geschlossen, da die Einführung des Handarbeitsunterrichts an der Volksschule eine solche Einrichtung überflüssig machte. Nach der Äbtissin, die als Nachfolgerin von Henriette Friederike von Pufendorf zwischen 1832 und 1862 amtierte, wurde im Sommer 2000 eine Straße im Walsroder Neubaugebiet „Graesbecker Weg“ benannt.

Wappen der Äbtissin Louise Caroline Marschalck von Bachtenbrock (1790-1862), nach der in Walsrode eine Straße benannt worden ist (Barbara von Hövel / Klosterkammer).

Die Armenschule der Äbtissin Louise Caroline Marschalck von Bachtenbrock (1790-1862) befand sich zwischen 1842 und 1878 im Schulhaus am Kirchplatz (Aufnahme von 1863). Der Neubau von 1898 beherbergt heute die Volkshochschule (Hans Stuhlmacher: Geschichte der Stadt Walsrode, Walsrode 1964).

Ihre Nach-Nachfolgerin Therese von Plato (1821-1899) machte sich um die Erziehung zwei- bis sechsjähriger Kinder aus mittellosen Familien verdient, indem sie 1890 eine Warteschule gründete. Eine erste Schule hatte zwischen 1879 und 1883 bestanden, war aber wegen Raummangels eingegangen. Warteschulen waren soziale, oft von der Kirche unterstütze Einrichtungen, in denen Kinder aus armen Familien stunden- oder halbtagsweise bis zum Eintritt ins Schulsystem betreut wurden. Meist geschah dies – aus Kostengründen – durch Gemeindeschwestern und nicht durch dafür ausgebildetes Fachpersonal, was die Warteschule vom Kindergarten unterschied. Sie war somit eher eine Kinderbewahranstalt.

Auf einem aus eigenen Mitteln erworbenen Grundstück an der Horststraße/Ecke Haberskamp ließ die Äbtissin ein Gebäude für eine Warteschule errichten. Zu der Zeit wohnten in der Gegend um die Horststraße viele Arbeiter und kleine Handwerker. Da meist beide Elternteile zum Bestreiten des Lebensunterhalts arbeiten mussten, waren die noch nicht schulpflichtigen Kinder auf sich allein gestellt. Diese konnten nun von einer Lehrerin für Kleinkinder, die im hannoverschen Henriettenstift ausgebildet worden war, betreut werden. Dabei sollten die Kinder laut Instruktion von 1893 bewusst im christlichen Glauben erzogen werden: „Erziehe, beschäftige und unterweise die Kinder und lehre sie beten und vollbringe alles mit der Freundlichkeit, welche aus der Freude der Kinder Gottes geboren ist.“

Therese von Plato (1821-1899) schuf als Äbtissin eine erste Einrichtung zur Kinderbetreuung als Vorläuferin des Kindergartens. Heute heißt eine Walsroder Kita nach ihr (Barbara von Hövel / Klosterkammer).

Wappen der Äbtissin Therese von Plato, die sich in ihrer Amtszeit von 1871 bis 1899 im sozialen Bereich engagierte (Barbara von Hövel / Klosterkammer).

Unterstützt von einem Vorstand aus Angehörigen des Klosters und des Walsroder Bürgertums, übte Äbtissin von Plato die Schulaufsicht aus und entschied über die Aufnahme der Kinder. Von zunächst zehn stieg deren Zahl bald auf über 40, so dass 1898 eine zweite Warteschule eingerichtet werden musste (durch Maria Wolff, Ehefrau des Fabrikanten Oskar Wolff, am Kleinen Graben). Die Kinder wurden im Sommer zehn, im Winter acht Stunden betreut. Für die mittägliche warme Mahlzeit war von den Eltern eine geringe Summe zu entrichten, die aber kaum ausreichte, um die Kosten für die Lebensmittel zu decken. Daher finanzierte sich die Warteschule hauptsächlich aus Zinsen von Kapitalien des Klosters. Hinzu kamen Spenden von städtischen Honoratioren und Konventualinnen sowie regelmäßige jährliche Zuschüsse der Stadt Walsrode.

Die Warteschule der Äbtissin von Plato befand sich im heutigen Wohnhaus an der Horststraße 37 (Aufnahme von 2015) (Heinemann).

Um die Zukunft der Warteschule zu sichern, vermachte Therese von Plato Haus und Grundstück der Stadt. Ergänzend dazu richtete sie eine Stiftung ein. Nach dem Tod der 1890 zur Ehrenbürgerin ernannten Äbtissin 1899 gründete man einen Verein zur Fortführung der Warteschule unter Vorsitz der jeweiligen Äbtissin des Klosters. Die Stadt stellte dem Verein das ihr vermachte Gebäude zur Verfügung.

Während des Ersten Weltkriegs sah sich das Kloster aber nicht mehr in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen. „Unter Berücksichtigung der neuzeitlichen Anforderungen, welche durch den Krieg und das Wachsen der Stadt bedingt werden“, übergab 1916 die damalige Äbtissin von Düring dem Walsroder Magistrat die Schulverwaltung. Zusätzlich erhielt dieser Kapitalien in Höhe von 11.100 Mark, die sich aus der Stiftung der Äbtissin von Plato, Klosterschenkungen und einer Sammlung der Äbtissin von Düring zusammensetzten. In der Folgezeit hatte die Äbtissin in dem von der Stadtverwaltung zu wählenden Schulvorstand keinen leitenden Sitz mehr.

Die finanziell schlechter werdende Situation nach dem Ersten Weltkrieg führte dazu, dass die Stadt den Betrieb der Warteschule im Herbst 1922 einstellen musste. Die beginnende Inflation hatte diesem aus privater Wohltätigkeit erwachsenen Unternehmen jegliche materielle Grundlage entzogen. Die zweite Warteschule am Kleinen Graben war bereits während des Krieges eingegangen.

Zur Erinnerung an das segensreiche Wirken der Äbtissin trägt die Walsroder Kindertagesstätte am Waldbad seit 1993 den Namen Therese von Platos.

1866 war Amalie von Stoltzenberg (1834-1910) ins Kloster eingetreten. Sie verschrieb sich der Krankenpflege in den Familien, hielt aber diese Betreuung bald aus medizinischen wie hygienischen Gründen für unzulänglich. In der Osterwoche 1874 riefen Mitglieder der Walsroder Honoratiorenschaft zur Bildung eines Krankenhausvereins auf. Aus dem Spendenaufkommen von Bürgern, die dem Verein in großer Anzahl beigetreten waren, konnte ein Gebäude in der Langen Straße 52 erworben werden, in dem man am 17. Dezember 1875 ein Privatkrankenhaus mit sechs Betten eröffnete. Während die 1904 zur Priorin ernannte Konventualin die Pflege übernahm, lag die ärztliche Leitung bei Sanitätsrat Dr. Heinrich Kremling. Der Walsroder Ehrenbürger starb 1903 im Alter von 87 Jahren.

Zur Finanzierung des Krankenhausbetriebs veranstaltete Fräulein von Stoltzenberg in ihrem Haus im Kloster in jedem Winter Basare, auf denen gestiftete Sachen versteigert wurden. Daneben verkauften junge Mädchen Kaffee und Kuchen. Wegen steigender Beliebtheit wurden diese „Klosterauktionen“ später in den Saal des Hotels zum Kronprinzen an der Langen Straße verlegt.

Die Priorin Amalie von Stoltzenberg (1834-1910) gilt als Mitbegründerin des modernen Walsroder Krankenhauswesens (Barbara von Hövel / Klosterkammer).

Grabstein für die Priorin Amalie von Stoltzenberg. 1879 hatte das Kloster direkt neben dem Friedhof der Kirchengemeinde Walsrode an der Saarstraße einen eigenen Begräbnisplatz erhalten, auf dem 1899 die erste Beerdigung stattfand (Kloster Walsrode).

Da das kleine Krankenhaus schon bald nicht mehr den gewachsenen Bedürfnissen entsprach, übertrug es der mit der Verwaltung überforderte Krankenhausverein 1893 dem Landkreis Fallingbostel. Dieser errichtete bis zum Oktober 1894 auf einem von der Stadt Walsrode südlich der Fulde zur Verfügung gestellten Grundstück einen Neubau als Kreiskrankenhaus mit nun über 25 Betten. Auch dort leitete Amalie von Stoltzenberg zuerst die Krankenpflege, ehe sie aus Altersgründen ausschied und man Diakonissen aus Oldenburg, ab 1900 aus dem hannoverschen Henriettenstift berief. Zwischen 1914 und 1916 erfolgte der Anbau eines östlichen Querflügels. Die Straße davor erhielt später den Namen Von-Stoltzenberg-Straße. In dem Gebäude Nr. 11 befindet sich heute die Geschäftsstelle der Walsroder Lebenshilfe e.V.

Das am 23. Oktober 1894 eingeweihte Walsroder Kreiskrankenhaus, 1915 (Stadtarchiv Walsrode).

Damit öffnete sich das Kloster ab Mitte des 19. Jahrhunderts stärker den Belangen des Bürgertums. Einige Konventsmitglieder verließen als Person oder durch ihr Engagement die Klostermauern und wirkten nun (als soziale Wohltäterinnen) außerhalb für die Walsroder Einwohnerschaft – vielleicht als Reaktion auf dessen Feindseligkeiten im Zuge der Klosteraufhebung 1812.